Konflikt oder Kult? Krisen und Krisenbewältigung versus rituelle Manipulation im Neolithikum
Projektleitung des Forschungsschwerpunktes
Ass.-Prof. Mag. Dr. Alexandra KRENN-LEEB
Zuordnung des Forschungsschwerpunktes zu den Fakultätsschwerpunkten
GESELLSCHAFT mit den FSP-Bereichen "Frauen- und Geschlechtergeschichte", "Wirtschaft und Gesellschaft", "Diktaturen - Gewalt - Genozide"
MEDIEN mit dem FSP-Bereich "Materielle Kultur und Dokumentation"
RAUM mit den FSP-Bereichen "Kulturen des euromediterranen Raumes und Altertumswissenschaften", "Österreich in seinem Umfeld"
Beschreibung des Forschungsschwerpunktes
Differenzierbare Identitätengemeinschaften, die Entwicklung komplexerer sozialer Gesellschaftsstrukturen und damit verbunden auch vielfältige Zeichensysteme und Abgrenzungen zu benachbarten Populationsgemeinschaften führten im Neolithikum nachweisbar auch zu aggressiven Handlungen unter den Gemeinschaften.
Wiederholt lassen sich menschliche Skelettreste in neolithischen Siedlungsarealen beobachten, wobei es sich gesichert um keine Reste von Primärbestattungen gehandelt hat. Vielfach sind Gewalteinwirkungen oder zumindest Manipulationen an den zumeist spärlichen Überresten zu erkennen. Zwei Forschungshypothesen wurden für eine eingehendere Analyse herausgegriffen.
Krisen und Krisenbewältigung
Krise bedeutet Veränderung und Krisenbewältigung manifestiert sich in der Reaktion darauf. Letztere können wir anhand gesetzter Maßnahmen, veränderter Strukturen oder dokumentierbarer Handlungsweisen auch im archäologischen Befund erfassen. Gerade für die Kupferzeit wird ein wirkungsvolles Krisenmanagement aufgrund der Implementierung unterschiedlichster Innovationen greifbar.
Das Siedeln auf relativ kleinen Flächen auf Höhenlagen am Rande von markanten Bergmassiven oder Hügelketten im 4. und 3. Jahrtausend v. Chr. als überregionales Phänomen einer stereotypen Siedlungsplatzwahl mit landwirtschaftlich genutzten Flächen außerhalb des geschützten Siedlungsareals impliziert eine entsprechend geringe Populationsgröße. Jeder größere Personenverlust gefährdete gewiss das Gleichgewicht der Gemeinschaft. Die Errichtung von Wällen und Gräben impliziert die Notwendigkeit von Befestigungen und belegt ein Schutzbedürfnis. Zahlreiche kleinste Siedlungseinheiten – häufig in Sichtweite zur nächsten gelegen – verkörperten somit auch viele autarke kleine Gemeinschaften, die sich ihrer nächsten Umwelt und den vorhandenen Ökosystemen stark bedienen und anpassen mussten. Die Nutzung, oft sogar Sekundärnutzung von Gerätschaften bzw. minderwertige Rohstoffe belegen einen nicht uneingeschränkten Zugang zu manchen Ressourcen.
Rituelle Manipulationen an menschlichen Skelettresten
Aufgrund der Neubewertung der bemerkenswerten Befunde von Herxheim/D herrscht aktuell eine deutliche Sensibilisierung für beabsichtigte Manipulationen an Skelettresten aus neolithischen Befunden vor. Auswirkungen von Aggression und Konfliktsituationen lassen sich ebenso nachweisen wie Sonderbehandlungen im rituellen Kontext einer Bestattungszeremonie oder postmortale Verlagerungen und Deponierungen mit besonderem sozialen, ideologischen, kultisch-rituellem Hintergrund in außergewöhnlichen Arealen. Der Einsatz von modernen naturwissenschaftlichen Methoden eröffnete auch hier einen intensiver und breiter interdisziplinär ausgerichteten Blickwinkel.
Für die kupferzeitlichen Befunde ist und wird dieser Forschungsschwerpunkt mit jenem zur „Humanökologie der Kupferzeit“ eng verwoben und gemeinsam weiter entwickelt. Die enge Kooperation mit Frau Prof. Dr. Maria Teschler-Nicola hat sich auch in dieser Fragestellung kongenial bewährt. Aktuell werden laufend Neubefunde sowie bestehende Befunde durch erneute Begutachtung erfasst.
Weiterführende Publikationen
- A. KRENN-LEEB, Humanökologie der Kupferzeit – Interaktionen und Wirkungszusammenhänge zwischen Mensch, Gesellschaft und Umwelt am Beispiel der Jevišovice-Kultur: Zwischenbilanz des Forschungsprogramms. In: E. Lauermann und W. Rosner (Hrsg.), Urgeschichte in Niederösterreich. Eine Bestandsaufnahme. Einundzwanzigstes Symposium des NÖ Instituts für Landeskunde, 2. bis 5. Juli 2001, Retz/Althof. Archäologische Forschungen in Niederösterreich 4, St. Pölten 2010, 28–47.
- A. KRENN-LEEB, Die Kupferzeit in Ostösterreich – eine Zeit der Innovationen. In: J. Tiefenbach (Hrsg.), Die Bernsteinstraße – Evolution einer Handelsroute. Katalog zur Burgenländischen Landesausstellung in Eisenstadt vom 11. April bis 11. November 2008. Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland 123, Eisenstadt 2008, 40–44.
- A. Krenn-Leeb, Mensch und Umwelt vor 5000 Jahren – Eine archäologische Spurensuche zur Kupferzeit im Raum Krems. Kremser Humanistische Blätter 10, 2006 (2007), 25–54.
- A. KRENN-LEEB, Höhensiedlungen der Jevišovice-Kultur in Niederösterreich: Stereotypes Siedlungsverhalten und historische Topographie – eine Bestandsaufnahme. In: A. Krenn-Leeb (Hrsg.), Wirtschaft, Macht und Strategie. Höhensiedlungen und ihre Funktionen in der Ur- und Frühgeschichte. Archäologie Österreichs Spezial 1, Wien 2006, 23–40.
- A. KRENN-LEEB, Mensch und Umwelt der Kupferzeit Ostösterreichs – Aktuelle Fragestellungen am Beispiel ausgewählter Siedlungen des 4. und 3. Jahrtausends v. Chr. In: A. Krenn-Leeb, K. Grömer und P. Stadler (Hrsg.), Ein Lächeln für die Jungsteinzeit. Ausgewählte Beiträge zum Neolithikum Ostösterreichs. Festschrift für Elisabeth Ruttkay. Archäologie Österreichs 17/2, 2006, 117–131.
- A. KRENN-LEEB, Ecology and economy of the Late Neolithic Jevišovice culture in Austria. An interdisciplinary working program. In: S. Karg, R. Baumeister, D. E. Robinson and H. Schlichtherle (Hrsg.), Economic and environmental changes during the 4th and 3rd millennia BC: the 25th Jubilee Symposium of the AEA in Bad Buchau, southern Germany. Environmental Archaeology 11/1, 2006, 101–114.
- A. KRENN-LEEB, Alltägliche Gefahren und/oder Krisen am Beispiel der endneolithischen Jevišovice-Kultur. In: H.-J. Beier & R. Einicke (Hrsg.), Varia Neolithica III. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 37, 2004, 127–136.
- A. Krenn-Leeb, Der Kleine Anzingerberg – ein spannendes Forschungsprojekt. In: Marktgemeinde Wölbling (Hrsg.), Wölbling einst und jetzt. Wölbling 2002, 61–102.
Projektbezogene Kooperationen
- Amt der NÖ Landesregierung/Abteilung Kultur und Wissenschaft
- Universität Wien/Institut für Ur- und Frühgeschichte
- Naturhistorisches Museum Wien/Anthropologische Abteilung
- Naturhistorisches Museum Wien/Prähistorische Abteilung
- Universität für Bodenkultur/Institut für Botanik
- Universität Wien/Institut für Mineralogie und Kristallographie
- ASINOE Archäologisch-Soziale Initiative Niederösterreich
- AS – Archäologie Service
- Bundesdenkmalamt/Abteilung für Bodendenkmale
- VIAS Vienna Institute for Archaeological Sciences/Rasterelektronenmikroskopie
- VERA Vienna Environmental Research Accelerator/Isotopenforschung
- ZAMG Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik
- Universität Wien/Institut für Paläontologie
- Geologische Bundesanstalt/Abteilung Palynologie
- Stadtgemeinde Krems/Kulturamt
- Marktgemeinde Wölbling
© Für den Inhalt dieser Seite verantwortlich: A. Krenn-Leeb/IUF Wien 2010
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- Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der Universität Wien
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- Österreichische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte
- Vienna Institute for Archaeological Science
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Univ.-Prof. Timothy Taylor
Institut für Urgeschichte & Historische Archäologie
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