Forschungsgrabung und wissenschaftliches Aufarbeitungsprojekt Grub an der March/Unterhaspel
Grabungs- und Projektleitung: Ass.-Prof. Mag. Dr. Alexandra Krenn-Leeb
Subventionsgeber: Land Niederösterreich
KG Grub an der March
MG Angern an der March
VB Gänserndorf
Niederösterreich
Nachdem in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch Herrn Herbert Preisl überaus zahlreiches prähistorisches Fundmaterial von der Parzelle 364/3 der Flur Unterhaspel in der KG Grub an der March (MG Angern an der March, VB Gänserndorf) aufgelesen worden war, wurde im Auftrag des Amtes der NÖ. Landesregierung vom November 1991 bis Februar 1992 mit Mitarbeitern des Vereins ASINOE (Archäologisch-Soziale Initiative Niederösterreich) eine Fläche von 6x11 m (Schnitt 1) ergraben.
Trotz extremer Witterungsverhältnisse (bis zu -12°C) konnten über 80 Objekte in mehreren Besiedlungsphasen, die insgesamt 1,50 m mächtig gewesen sind, dokumentiert werden. Diese für die, knapp neben einem Altarm der March gelegene Fundstelle ungewöhnlich mächtige Stratigraphie kann auf eine leicht erhöhte inselartige Lage gegenüber dem Umland zurückgeführt werden. Eine Zerstörung durch Überschwemmungen der March konnte schließlich durch die Grabung negativ befundet werden.
Vorerst konnten im Schnitt 1 sechs Hauptstraten beobachtet werden, die Siedlungen der Notenkopfkeramik, der Želiezovce-Gruppe (Typus Zseliz – jüngere Linearbandkeramik), der älteren Badener Kultur (Boleráz-Gruppe) und der Kosihy-Čaka/Makó-Kultur zugeordnet werden können.
Weiters konnten zwei bronzezeitliche Bestattungen freigelegt werden, wobei eine davon gesichert in die Frühbronzezeit zu stellen ist.
Die älteste Besiedlung fand in der älteren Linearbandkeramik (Notenkopfkeramik) statt. Aufgrund der spärlichen Keramikfragmente lassen sich derzeit noch keine Objekte dieser Besiedlungsphase zuordnen. An Gefäßformen konnten vor allem Bomben mit typischer Notenkopfverzierung geborgen werden.
Weitaus häufiger tritt uns die mittlere Stufe (Phase IIa nach Pavúk 1969) der Želiezovce-Ausprägung der jüngeren Linearbandkeramik entgegen. Neben einer Kulturschicht konnten Gruben, Pfostengruben und ein Kuppelofen dokumentiert werden. Der in den Löss bzw. bereits in den fluviatilen Sand hineingesetzte Ofen (Obj. 60) wies die übliche, ca. 5 cm mächtige Orangefärbung des anstehenden Materials im Bereich der Ofenplatte auf, auf der sich eine Scherbenlage mit einer darüber situierten schwarzen Holzkohleschicht befanden. Sowohl die Scherbenlage, die aus Fragmenten mindestens dreier Gefäße bestand, als auch zahlreiche kleine, runde Kieselsteine, die die Zwischenräume zwischen den Keramikfragmenten ausfüllten, sind als intentionelle Bestandteile der Ofenplatte zu interpretieren.
An Gefäßformen sind halbkugelige mit Verzierungen aus Paaren paralleler, durch schmale Kerben unterbrochener Rillen vorherrschend. Typisch sind die wechselnden matten und polierten Felder. Fragmente von Amphoren mit zoomorphen Henkeln repräsentieren ebenfalls eine charakteristische Gefäßform der Želiezovce-Gruppe. Bemalungsspuren konnten keine festgestellt werden.
Hervorzuheben ist, dass gerade in den ältesten Besiedlungsphasen die Erosion der Kulturschichten gering gewesen sein dürfte. Um eventuelle Hausgrundrisse aus den zahlreichen Pfostengruben dieses Niveaus beobachten zu können, war die ergrabene Fläche zu klein.
Die nächst jüngere Besiedlung erfolgte in der älteren Kupferzeit. Gruben und Pfostengruben, die zahlreich mit Keramik-, Tierknochen- und Flussmuschelmaterial verfüllt gewesen sind, lassen sich in die Phase Boleráz der Badener Kultur einordnen.
Hervorzuheben sind Fragmente von Schildkrötenpanzern, die zwei Individuen zugeordnet werden können, welche aus einer Grube, die mit zahlreichem Tierknochen-, Flussmuschelmaterial sowie mindestens einem Fisch verfüllt gewesen ist, geborgen werden konnten.
An charakteristischer Keramik wurden Töpfe mit zwei bis drei plastischen Fingertupfenleisten knapp unter dem Rand sowie eine kleine Tasse mit überrandständigem Henkel und Kanneluren am Bauchumbruch entdeckt.
Eine weitere Kulturschicht, die an dieser Fundstelle beobachtet werden konnte, ist der jüngerkupferzeitlichen Kosihy-Čaka/Makó-Kultur zuzuordnen. Einige Objekte wurden dokumentiert. Gerade dieses Material ist in Ostösterreich zwar bekannt, aber selten durch eine Grabung befundet worden. An Fundstücken ist neben zahlreichem, für diese Kulturerscheinung charakteristischem Keramikmaterial ein innen und außen inkrustiertes Fragment einer Fußschüssel hervorzuheben.
Die Kosihy-Čaka/Makó-Kultur siedelte gerne auf Lössböden in der Nähe von Wasserläufen. Die Siedlungsformen sind wenig bekannt.
Auf das Vorhandensein eines bronzezeitlichen Gräberfeldes kann eine Bestattung (Grab 1) einer Frau Hinweis geben. Die Grabgrube (Obj. 3) konnte bereits ab dem obersten Niveau dokumentiert werden. Aufgrund einer alten Beraubung des Grabes konnten jedoch nur mehr der Schädel sowie drei Halswirbel geborgen werden. Das möglicherweise ab den unteren Extremitäten vorhandene Skelettmaterial befindet sich noch im Boden, da die Grabgrube großteils außerhalb des Schnittbereiches lag und nicht ausgenommen worden war.
Eindeutig der Frühbronzezeit zuzuordnen ist Grab 2, das als Siedlungs- bzw. Sonderbestattung definiert werden kann. Auf der Sohle einer Grube (Obj. 27) wurde das Skelett eines Mannes freigelegt, der offensichtlich verunglückt bzw. keines natürlichen Todes gestorben war. Die Bestattung war NNW-SSO orientiert und lag auf dem Bauch, wobei der Schädel stark nach rechts zur Schulter gedreht auf dem Gesicht lag. Beide Arme waren unter der Brust verschränkt. Das linke Bein befand sich extrem stark angewinkelt ebenfalls unter dem Oberkörper, das rechte Bein lag normal zum Körper abgewinkelt, wobei das Knie vor oder während der Grablege ausgekegelt worden sein musste. Bemerkenswert ist das Fehlen des rechten Schulterblattes. Es konnten keinerlei Beigaben beobachtet werden. Die Datierung erfolgt aus dem verfüllten Fundmaterial der Grube.
Eine endgültige Aussage über das Verhältnis der beiden Bestattungen zueinander – die Grabgrube von Bestattung 1 konnte bereits ab Dokumentationsniveau 2, die Grube von Bestattung 2 erst ab Dokumentationsniveau 3 dokumentiert werden – kann erst in der endgültigen Auswertung geklärt werden.
Abschließend kann diesem Fundplatz eine hervorragende wissenschaftliche Bedeutung zugemessen werden, da hier eine 1,50 m mächtige Stratigraphie, hauptsächlich aus dem Neolithikum, dokumentiert werden konnte.
Die knapp erhöhte inselartige Lage gegenüber dem Umland verhinderte verheerende Überschwemmungen. Erosionen, vor allem der älteren Besiedlungsphasen dürften kaum oder verhältnismäßig gering stattgefunden haben.
Literatur
- A. LEEB, Neolithische Siedlungen und bronzezeitliche Gräber in Grub an der March. In: M. Krenn und A. Leeb, Berichte zu den Ausgrabungen des Vereins ASINOE im Jahr 1991. Fundber. Österreich 30, 1991, 30-32.
- A. LEEB, Neolithische Siedlungen und bronzezeitliche Gräber in Grub an der March. Arch. Österreichs 3/1, 1992, 36-37.
- A. LEEB, Neolithische Siedlungen und bronzezeitliche Gräber in Grub an der March. Forschungen in Stillfried 9/10, 1992, 189-190.
- Personensuche
- Bibliotheksservices
- Fachbereichsbibliothek Archäologien und Numismatik
- Institut für Urgeschichte und Historische Archäologie der Universität Wien
- Historische Archäologie
- Journal of World Prehistory
- Österreichische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte
- Vienna Institute for Archaeological Science
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